Die Bevölkerungspyramide in Deutschland, Österreich und der Schweiz gleicht, bildlich gesprochen, einem Dönerspieß. Unsere Gesellschaft wird älter. Die Generation der Baby-Boomer steht kurz vor offiziellem Renteneintritt und für einen gewissen Teil wird früher oder später auch Pflege notwendig sein.

Aus Gründen der Berufssicherheit eigentlich eine gute Nachricht für alle Einrichtungen und Fachkräfte im Bereich der Alten- und Gesundheitspflege. Wäre da nicht der bereits herrschende Pflegenotstand, der sich dadurch immer weiter zuspitzen wird. Prognosen gehen derzeit von über 300.000 fehlenden Pflegefachkräften bis 2035 aus.

Mit Umschulungen von Quereinsteigern und durch die Zuwanderung von Fachkräften soll der Mangel an Pflegepersonal bekämpft werden. Es bedarf jedoch weiterer Lösungskonzepte, um dem drohenden Kollaps des Gesundheits- und Pflegesystems zu begegnen. Der technische Fortschritt könnte dabei auch für die Pflege eine Rolle spielen.

Beim Thema Künstliche Intelligenz, auch KI oder AI (Artificial Intelligence) genannt, denken in Bezug auf Pflege viele an Roboter in Menschengestalt, die in Zukunft die komplette Pflegeversorgung im Seniorenheim übernehmen sollen. Ein futuristisches Szenario, das so manchen verängstigt, aber sehr unwahrscheinlich ist. In der Realität wird sich noch langsam an die Pflegerobotik herangetastet.

Pflegeroboter im Einsatz

Vorreiter in Sachen Pflegerobotik ist das nicht nur sehr technikaffine, sondern auch stark alternde Japan. Dort wird viel in die Entwicklung investiert und bereits vermehrt Pflegerobotik in der Praxis eingesetzt. Im europäischen Raum kommen Pflegeroboter hingegen meist nur im Rahmen eines Forschungsprojekts in Einrichtungen zum Einsatz.

Robotische Systeme in der Pflege sind in drei Arten unterteilt: Service-Roboter, unterstützende Robotik und Sozio-assistive Roboter.

Service-Roboter können scheinbar banale Tätigkeiten in der Kranken- und Altenpflege verrichten, die sonst von Pflegekräften neben der eigentlichen Pflegetätigkeit gemacht werden müssen. Selbstfahrende intelligente Pflegewägen wie der Casero 4 können das Pflegepersonal etwa mit Verbandszeug, Medikamente und Windeln versorgen, was ständige Laufwege zum Lagerraum und wertvolle Zeit spart, die dann für die aktive Pflege übrigbleibt.

Halb Roboter, halb Mensch – Pflegefachkräfte im Exoskelett

Unterstützende Robotik greift schon aktiver in die Pflegeversorgung mit ein, wenngleich keine direkte Interaktion von Künstlicher Intelligenz mit Patienten besteht. Vor allem die Hebearbeit macht vielen Pflegekräften zu schaffen und verursacht berufstypische Rücken- und Gelenkerkrankungen.

Mehrere Kliniken und Pflegeeinrichtungen verfügen bereits über mechanische Hebehilfen wie Seilzüge oder hydraulische Patientenheber. Weitaus moderner und demnach noch nicht so weit verbreitet sind sogenannte Exoskelette für Pflegefachkräfte. Exoskelette sind robotergesteuerte Geräte, die ähnlich wie ein Rucksack am Körper getragen werden. Sie unterstützen den Bewegungsapparat einer Person, indem sie das zu hebende Gewicht gleichmäßig verteilen und somit Muskulatur und Gelenke des Trägers entlasten.

Je nach Ausführung wird dadurch nicht nur die Gesundheit geschont, auch die physische Leistungsfähigkeit wird erhöht. So können schwere oder unbewegliche Patienten von einer Person gedreht oder umgebettet werden, ohne dass mehrere Pflegefachkräfte gleichzeitig gebunden werden.

Gefühlvolle Roboter? Interaktion zwischen Mensch und Maschine

Sozio-assistive Roboter verkörpern jene Art von Robotik, die sich vermutlich die meisten unter einem Pflegeroboter vorstellen. Ziel ist es, eine Art der Interaktion zwischen Mensch und Maschine herzustellen – Künstliche Intelligenz spielt hierbei eine bedeutende Rolle.

Zwar lernt die KI extrem schnell und wird stetig weiterentwickelt. Die Science-Fiction-Vorstellung, dass Roboter in Menschengestalt irgendwann ein eigenes Bewusstsein oder Gefühle entwickeln, ist jedoch äußerst zweifelhaft. Bei der Pflege von Patienten und älteren Menschen kommt es aber auf diese zwischenmenschliche Nähe und Soziale Interaktion an. Sinn und Zweck von Sozial-assistiven Robotern ist es somit, eine möglichst aktive Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu kreieren und zumindest eine emotionale Reaktion beim Menschen zu erzeugen.

Den Anfang dieser Roboter-Gattung machte jedoch kein Humanoid, sondern ein Pflegeroboter in Tiergestalt, genauer gesagt eines Sattelrobbenbabys. Die knapp 60 Zentimeter kleine und drei Kilogramm leichte Robbe Paro ist eine Entwicklung aus Japan, die bereits 2004 auf den Markt kam. Paro wird in einigen Altenheimen zur Therapie demenzkranker Personen, aber auch in der Palliativbetreuung oder auf Kinderstationen eingesetzt.

Der kuschelige Roboter nutzt ähnliche Vorteile der Tiertherapie. Mithilfe von Sensoren erkennt Paro, wenn Personen in der Nähe sind. Sobald man die kleine Robbe streichelt, beginnt sie zu fiepen und zu schnurren und bewegt sich langsam. So reduziert der flauschige Gefährte mit den schwarzen Kulleraugen etwa Angst- und Schmerzzustände sowie Schlaflosigkeit. Zudem hilft Paro gegen Einsamkeit der Heimbewohner. Das kommt nicht nur Patienten mit Tierhaarallergie oder Angst vor Tieren zugute. In viele Einrichtungen dürfen aus hygienischen Gründen keine echten Tiere mitgebracht werden.

Pflegeroboter Pepper

Humanoide – Pflegeroboter in Menschengestalt

Menschenähnliche Roboter sog. Humanoide zu bauen ist weniger ein Problem, als ihnen Leben einzuhauchen. Optisch sollen Humanoide jedoch nicht zu menschlich wirken, da dies für Patienten und Pflegebedürftige unheimlich sein könnte und die Skepsis verstärkt.

Der bekannteste Sozio-assistive humanoide Pflegeroboter ist „Pepper”. Pepper ist 1,20 Meter klein, hat zwei gelenkige Arme mit Händen, fünf Fingern und blickt einen mit schwarzen Kulleraugen an. Das Erscheinungsbild des strahlend weißen und sich auf drei omnidirektionalen Rädern bewegenden Roboters hat dabei bewusst etwas Kindliches. Dadurch wirkt Pepper niedlich und zutraulich. Vor der Brust ist ein Tablet angebracht.

Pepper spricht verschiedene Sprachen und ist neben Sensoren zur Erkennung von Mimik auch mit Gesichts- und Stimmerkennung ausgestattet. Der Pflegeroboter kann sich mithilfe seiner Funktionen und Programmierung nicht nur Gesichter und Personen merken, sondern auch auf sein Gegenüber reagieren und kleine Unterhaltungen führen.

Der quirlige Humanoid ist vor allem aber Animateur für Heimbewohner. Pepper kann zu Musik Gymnastik- und Bewegungsübungen mit den Armen vorführen und zum Mitmachen auffordern. Auch Gehirntraining kommt nicht zu kurz. So stellt Pepper kleine Rätselaufgaben, die über eine gesprochene Antwort oder auf dem Tablet vor der Brust gelöst werden können.

Unterhaltung und Bewegungsanleitung sind dabei die Hauptaufgaben des Pflegeroboters, weniger die physische Unterstützung von Pflegekräften.

Dürfen Roboter die Pflege übernehmen?

Pflege braucht emotionale Nähe, Empathie, Geduld und Liebe. Künstliche Intelligenz kann das Wenigste hiervon ersetzen. Ein vollkommenes Übertragen pflegerischer Aufgaben an Roboter gleicht einem Abschieben der Alten und Pflegebedürftigen, was zur Vereinsamung und Depression führt und in einer solidarischen Gesellschaft ethisch nicht in Frage kommt.

Auch der deutsche Ethikrat hat sich in dieser Frage klar positioniert, dass Roboter in der Pflege keinesfalls das Zwischenmenschliche ersetzen dürfen. Gegenüber einer unterstützenden und somit für das Pflegefachpersonal entlastenden Funktion spricht der Auffassung des Ethikrates nichts entgegen.

Solange die Technik für eine vollumfassende Pflege (noch) nicht im Stande ist, sind derartige Überlegung rein theoretischer Natur. In Anbetracht der stetigen technischen Weiterentwicklung müssen derartige Fragen jedoch immer wieder aufs Neue gestellt, evaluiert und neue Lösungen erarbeitet werden.

Probleme beim Einsatz von Pflegerobotern

Abgesehen von der ethischen Frage gibt es diverse Bedenken beim Datenschutz. Die KI lernt nicht nur schnell, sondern merkt sich auch viel. Durch die Gesichtserkennung werden Bildaufnahmen von pflegebedürftigen Personen und Pflegekräften gespeichert. Um an die Einnahme von Medikamenten zu erinnern, benötigt der Pflegeroboter hochsensible Gesundheitsinformationen aus der Patientenakte. Welche Daten dürfen Pflegeroboter automatisch sammeln und speichern, um ihre Funktionsweise zu erfüllen?

Hinzu kommen versicherungsrechtliche Fragen: Wer haftet im Fall eines Fehlverhaltens des Pflegeroboters, wodurch im schlimmsten Fall Personen zu Schaden kommen? Die Pflegefachkraft, die nebst der zu versorgenden Pflegebedürftigen auch die Bedienungshoheit über den Roboter hat? Die geschädigte Person selbst, die den Roboter möglicherweise falsch bedient hat, aber aufgrund der Pflegebedürftigkeit nicht mehr voll zurechnungsfähig ist?

Der Kostenfaktor spielt ebenfalls eine große Rolle. Nicht nur die Anschaffung der Roboter ist teuer, auch die Wartung und Reparatur. Solange Pflegeroboter noch viel Beaufsichtigung und Bedienung durch das Pflegepersonal benötigen, stellen sie vielmehr ein Gadget im Pflegealltag anstatt einer aktiven Unterstützung dar. Das Argument, dass das Geld lieber in eine weitere Anstellung oder Lohnerhöhung der Pflegefachkräfte investiert werden kann, ist somit nicht abwegig.

Künstliche Intelligenz und Roboter in der Pflege – Konzept mit Zukunft?

Pflegeroboter und Künstliche Intelligenz ist nicht die alleinige Lösung für den Fachkräftemangel in der Pflege. Nach aktuellem Stand ist die Gesundheits- und Altenpflege sowohl aus der technischen und nicht zuletzt aufgrund der ethischen Perspektive eine der wenigen Berufsfelder, die nicht vom Stellenabbau infolge zunehmender Digitalisierung betroffen ist. Vielmehr überwiegt die Chance, KI und Robotik in Zukunft vermehrt für die Optimierung der Arbeitsbedingungen von Pflegekräften zu nutzen.

Voraussetzung dafür ist jedoch eine verstärkte technische Weiterentwicklung, sodass Pflegeroboter auf weniger Bedienung durch das Pflegepersonal angewiesen sind und zur aktiven Arbeitsentlastung beitragen.

Die Akzeptanz der Technik muss dabei sowohl unter Pflegebedürftigen als auch vom Pflegepersonal aktiv gefördert werden. Hierfür müssen Berührungs- und Zukunftsängste ernstgenommen und gemeinsam überwunden werden.

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