Anne Garms umgibt eine Mischung aus jugendlicher Leichtigkeit und bedingungslosem Optimismus. Dass die 37 Jahre alten Intensivkrankenpflegerin seit knapp vier Jahren gegen eine posttraumatische Belastungsstörung kämpft, ist schwer zu glauben. Ein Grund mehr für Anne, offen mit dem Thema PTBS umzugehen und die Erkrankung zu enttabuisieren.

In Annes Leben gab es zwei prägende Ereignisse, die nicht nur ihren beruflichen Werdegang, sondern auch ihre positive Lebenseinstellung maßgeblich beeinflusst haben.

Im Alter von elf Jahren stürzte sie von einem Baum aus acht Metern Höhe und zog sich mehrere Brüche im Bein zu. Die Diagnose der Ärzte: Sie werde vielleicht nie wieder laufen können. „Nein, das wird nicht so kommen und ich will wieder laufen”, dachte sich Anne damals – und sollte Recht behalten.
Der feste Glaube an ihre Genesung, monatelanges auf Krücken gehen und eine anstrengende Reha zahlten sich aus. „Ich habe den Ärzten das Gegenteil bewiesen”, ist Anne stolz – damals wie heute. Denn dass Sie irgendwann einen Instagram-Account unter dem Namen @anne_wandert betreiben würde, wo sie ihre Follower unter anderem auf Wanderabenteuer mitnimmt, hatte zu der Zeit nicht einmal sie vermutet.

Ein Nachtdienst, der alles veränderte

Das zweite Ereignis, das Annes Leben prägen sollte, ereignete sich viele Jahre später, während eines sonntäglichen Nachtdienstes im Februar 2022. Anne ist mittlerweile erfahrene Intensivkrankenpflegerin und betreute in jener Nacht einen sehr jungen Mann mit Covid-Pneumonie, der an die Herz-Lungenmaschine angeschlossen war.

Für den Patienten äußerte sich diese Stresssituation in wiederkehrenden Panikattacken. Die Gefahr, dass er sich während einer solchen die Kanülen zieht, was lebensbedrohlich sein kann, war allgegenwärtig. Anne und ihre Kolleginnen fuhren daher eine engmaschige eins-zu-eins-Betreuung.
„Ich war eigentlich fast nur bei ihm. Zwischendurch hatte er richtig gute Laune. Wir hörten gemeinsam Musik, er lag im Bett und tanzte so gut es im Liegen eben ging zum Lied”, erinnert sich Anne an die Situation und schmunzelt während der Erzählung sogar ein wenig. Sie wollte das günstige Zeitfenster nutzen, um kurz einen Schluck zu trinken.

Gerangel und ein lautes Knacken

Den Patienten währenddessen fest im Blick, bemerkte Anne, wie die Hand des Patienten zu einer Kanüle in der Leistengegend wanderte. „Ich bin zurück in das Zimmer gestürmt, um ihn aufzuhalten.” Keine einfache Aufgabe, denn der Patient hatte eine massige Statur von über 200 Kilo. „Ich musste mich über ihn legen, um an seine Hand auf der anderen Seite des Bettes zu gelangen. Er wollte das verhindern und schob mich weg.”

Die Situation hat sich fest in Annes Erinnerung gebrannt, dennoch ist es rückblickend schwierig zu sagen, wie sie sich dabei verletzt hat. „Irgendwie muss ich dagegengehalten haben. Am Ende hörte ich ein laut knackendes Geräusch in der Schulter.” Danach war ihr Dienst vorbei – und an Arbeit für die nächsten Monate nicht zu denken.

Ein Song reicht

Sechs Wochen später sitzt Anne im Auto auf dem Weg zur Physiotherapie. Die Genesung der leichten Schulterfraktur und des Schadens an der Rotatorenmanschette ist auf etwa drei Monate angesetzt, doch erst jetzt spürt sie die ersten Symptome der eigentlichen Auswirkungen des Arbeitsunfalls.
Aus dem Radio ertönt ein fröhlicher Song – “Shivers” von Popstar Ed Sheran. Anstatt des euphorischen Beats kann Anne nur an eines denken: Den jungen Patienten, wie er nur wenige Stunden vor dem Unfall zu dem Lied im Bett freudig auf und ab wippte. “Ich fing an zu heulen und als ich bei meiner Physiotherapeutin ankam, merke sie sofort, dass etwas nicht stimmte – viel mehr als meine physische Verletzung.”

Die Diagnose der Posttraumatischen Belastungsstörung – kurz PTBS – kam eindeutig durch einen darauf spezialisierten Bundeswehr-Psychologen. Anne hatte Glück und bekam über die Berufsgenossenschaft nicht nur eine schnelle Diagnose, sondern bereits nach vier Wochen einen Therapieplatz. Manche PTBS-Patienten warten bis zu zwei Jahre. Zwei Jahre dauerte auch Annes Genesungsprozess. Statt Laufen lernen, jede Woche therapeutische Sitzungen bei einer Traumatologin plus einer sechswöchigen Reha.

Offener Umgang mit lebenslangen Folgen

Posttraumatische Belastungsstörungen gehen nie wieder weg. Betroffene haben ein Leben lang dagegen zu kämpfen. Bezeichnend sind die sog. Triggerpunkte. Diese verfrachten einen zurück in die traumatische Situation und lösen großes Unbehagen bis hin zu Panik aus. Triggerpunkte bei Anne sind etwa das Lied, anfangs Herz-Lungenmaschinen und übergewichtige junge Männer – eben alles, was sie an das traumatische Erlebnis erinnert.

Nicht zuletzt dank der intensiven Therapie hat sie gelernt, mit den Triggerpunkten umzugehen, auch wenn das nicht immer leicht ist. Anne hat sich zurückgekämpft und arbeitet wieder als Krankenpflegerin auf der Intensivstation – wenn auch mit gewissen Einschränkungen, weshalb sie offen damit umgeht. „Mir ist wichtig, dass offen über das Thema PTBS gesprochen wird – es darf kein Tabuthema sein”, bekräftigt die 37-Jährige ihren Entschluss auch auf Instagram oder mit Pacura med über Ihre Belastungsstörung zu sprechen. Auch für ein Buch hat sie in einem ganzen Kapitel ihre Geschichte geteilt.

„Wir sind alle nicht davor gefeit, dass uns eine psychische Belastungsstörung oder eine posttraumatische Belastungsstörung widerfährt”, ist Anne überzeugt. Und das schlimme: “Wenn man es sich nicht eingesteht, dass man es hat, kommen die posttraumatischen Belastungen irgendwann heftiger, als man denkt.”

„Bin froh, bei Pacura med gelandet zu sein”

Nach dem Wiedereinstieg ins Berufsleben – begleitet von Therapie und positiver Bescheinigungen ihrer Traumatologin und Betriebsärztin – suchte Anne nach einem Arbeitgeber, wo sie mit ihrer Vorgeschichte vorurteilsfrei arbeiten kann und sich gut aufgehoben fühlt. Bei Pacura med ist sie fündig geworden.

„Als ich im Bewerbungsgespräch meinte, dass ich eine PTBS habe und es daher zu Einschränkungen kommen kann, hieß es gleich: Das ist gar kein Problem, wir kriegen das gemeinsam hin”, berichtet Anne von ihrem ersten Kontakt mit Pacura med. Das positive Bauchgefühl sollte sie nicht enttäuschen. Mittlerweile ist sie seit zweieinhalb Jahren im Team und fühlt sich gut aufgehoben.

„Was ich bei Pacura med besonders schätze: wenn ich ein Problem habe, wird sich das angehört und man sucht aktiv nach einer Lösung”, sagt Anne und nennt eine Situation nach einem Vorfall mit der Herz-Lungenmaschine im Einsatz: „Mein People Manager hatte sofort ein offenes Ohr und fragte ‘Wie können wir Dich unterstützen?’ Da kam kein ‘Du bist das Problem.’ Das ist für mich nicht selbstverständlich. Ich bin froh bei Pacura gelandet zu sein.”

Anne hat durch ihren starken Willen, die positive Einstellung und die Unterstützung ihres Arbeitgebers Pacura med die notwendige Balance für sich gefunden. „Seelische Gesundheit ist unser oberstes Gut in dem Beruf”, ist sie überzeugt. Für diesen Ausgleich ist sie nicht nur für Pacura med bundesweit im Einsatz, sondern auch privat auf ihren Wanderungen in ganz Deutschland unterwegs – und beschreitet immer neue Wege, wenn auch vorsichtshalber keine Bäume mehr.

Wenn Du selbst in einer Krise bist oder von stark belastenden Gedanken geplagt wirst, sprich bitte mit einer vertrauten Person oder suche professionelle Hilfe.

In Deutschland kannst Du rund um die Uhr und kostenfrei die Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder 0800 111 0 222 anrufen oder online unter www.telefonseelsorge.de Hilfe bekommen.

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